Auf den Punkt gebracht – Studienmaterial zu konkreten Erkrankungsrisiken psychosozialer Arbeitsbelastungen. Z.B. 20% aller Depressionen und 10% aller akuten Herzinfarkte der Erwerbsbevölkerung entstehen in diesem Zusammenhang! Download: Erkrankungsrisiken
Auszug:
„1. Wir haben gezeigt, dass definierte, messbare psychosoziale Belastungen
des modernen Erwerbslebens mit einem statistisch erhöhten Risiko bei
exponierten Beschäftigten einhergehen, an einer stressassoziierten
Gesundheitsstörung zu erkranken. Diese Gesundheitsstörungen, die
Angst- und depressive Störungen, kardiovaskuläre Krankheiten und muskuloskelettale Beschwerden sowie reproduktive Störungen umfassen,
sind in der Erwerbsbevölkerung relativ weit verbreitet, auch bei älteren
Erwerbstätigen.
2. Die quantitative Bedeutung statistischer Beziehungen zwischen Arbeitsbelastungen und Erkrankungswahrscheinlichkeit wird anhand von Odds Ratios bzw. relativen Risiken (im Vergleich zu nicht Exponierten) ermittelt. Bei den untersuchten Krankheiten liegt die Risikoerhöhung im Mittel in einem Bereich zwischen 40 und 80 %, mit beträchtlicher Streuung zwischen einzelnen Studien. Eine solche Risikoerhöhung wird in der Forschung als Psychosoziale Arbeitsbelastungen und Erkrankungsrisiken moderat bezeichnet.
Sie gibt jedoch Anlass zu präventivem Handeln, wenn
die Exposition vergleichsweise hoch ist. In einer Vielzahl der referierten
Studien liegt die Häufigkeit krankheitswertiger psychosozialer
Arbeitsbelastungen(gemäß den gemessenen
Modellen) in einem Bereich von 20 bis 30 %. Somit ist etwa jede vierte beschäftigte Person von dem erwähnten Zusammenhang betroffen.
3. Jede der genannten Gesundheitsstörungen wird durch unterschiedliche
weitere Bedingungen und Risikofaktoren verursacht. Arbeitsbelastungen
stellen lediglich eine von mehreren Determinanten dar. Ihr Beitrag kann
wiederum anhandstatistischer Verfahren ermittelt werden (sog. attributable Risiken). Demnach kann für depressive Störungen je nach Population davon ausgegangen werden, dass rein rechnerisch bis zu 20 % aller Depressionen in der Erwerbsbevölkerung dem Einfluss psychosozialer
Arbeitsbelastungen zuzurechnen sind. Beim akuten Herzinfarkt ist der
Beitrag geringer; hier geht man (bei Männern) davon aus, dass etwa jeder
zehnte Herzinfarkt auf die genannten Arbeitsbelastungen zurückzuführen
ist, während bei Frauen das attributable Risiko geringer ist.
4. Da die ermittelten statistischen Beziehungen jeweils nur für ein spezifisches Arbeitsstressmodell und eine spezifische Krankheit gelten, wird deren quantitative Bedeutung in der Praxis unterschätzt. An manchen
Arbeitsplätzen treten kumulierte psychosoziale Arbeitsbelastungen auf, und manche gesundheitlichen Störungen sind mit hoher Komorbidität assoziiert.
Ferner sind in der Mehrzahl der referierten Studien Arbeitsbelastungen
lediglich einmal (zu Beginn der Studie) gemessen worden. Bei wiederholter
Expositionsmessung werden jedoch in der Regel auch höhere relative
Erkrankungsrisiken nachgewiesen.
5. Die wissenschaftliche Beweiskraft der vorliegenden Befunde ist trotz der
Heterogenität der Ergebnisse relativ schlüssig, zumindest im Bereich von
Angst- und depressiven Störungen sowie von kardiovaskulären Erkrankungen.
Die Studien sind prospektiv angelegt, die Zahl positiver Ergebnisse ist
höher als die Zahl negativer Befunde. Häufig lassen sich Dosis-Wirkungs-Beziehungen nachweisen, und zu den unterstellten psychobiologischen
Mechanismen liegen experimentelle Resultate vor. Die Ergebnisse beruhen
auf einer Vielzahl von Untersuchungen bei unterschiedlichen Berufsgruppen
und Erwerbssektoren, bei verschiedenen Altersgruppen, Männern und
Frauen sowie in verschiedenen sozio-kulturellen und wirtschaftlichen Kontexten.
Die empirische Basis ist damit ungewöhnlich breit gefächert.
140 Psychosoziale Arbeitsbelastungen und Erkrankungsrisiken
6. Als wichtigste Schlussfolgerung lässt sich festhalten, dass die den
genannten psychosozialen Arbeitsbelastungen zuzurechnende Krankheitslast im Prinzip vermeidbar ist. Aus den genannten Arbeitsstressmodellen lassen sich gezielte Hinweise auf eine gesundheitsförderliche Gestaltung
von Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen herleiten. Bereits weisen
erste an diesen Modellen orientierte Interventionsstudien auf einen entsprechenden Gesundheitsgewinn hin. Damit ist aus unserer Sicht eine
Basis gegeben, Maßnahmen betrieblicher Gesundheitsförderung zu entwickeln und umzusetzen.“