Studie zum Präsentismus – „Krank arbeiten gehen“

Die Karl-Franzens-Universität Graz und das Arbeits- und Organisationspsychologische Beratungsunternehmen research-team haben in einer repräsentativen Studie mit 3.584 ArbeitnehmerInnen in Österreich, Deutschland und der Schweiz die Rahmenbedingungen und Auswirkungen von Arbeit auf den Menschen erfasst, darunter das Phänomen Präsentismus.

Die Ergebnisse zeigen, dass 66 Prozent der Befragten bereits mindestens einmal krank in der Arbeit erschienen sind. 16 Prozent gaben an, ein bis zwei Tage im Jahr krank zu arbeiten, 25 Prozent gingen im Jahr bis zu fünf Tage und 20 Prozent sogar eine ganze Woche lang in schlechtem Gesundheitszustand zur Arbeit. Selbst wenn der Arzt die klare Empfehlung ausgesprochen hatte, zu Hause zu bleiben, gingen 27 Prozent dennoch ihrer beruflichen Tätigkeit nach. Kritisch ist auch, dass 14 Prozent aller Befragten sich für ihre Genesung Urlaub nahmen, anstatt in Krankenstand zu gehen. Unsere Studie zeigt deutlich auf, dass die Problematik an Relevanz gewinnt – die Anzahl derer, die krank arbeiten gehen, ist gestiegen.

Warum gehen Menschen krank arbeiten?
Der häufigste Grund, weshalb Menschen krank arbeiten gehen, ist mit 26 Prozent die Angst um den Arbeitsplatz, gefolgt von der negativen Einschätzung der persönlichen wirtschaftlichen Lage und dem Gefühl, die KollegInnen im Stich zu lassen sowie am Arbeitsplatz nur bedingt ersetzbar zu sein.

Wie kritisch ist Präsentismus?
Die Probleme, die durch Präsentismus entstehen, werden massiv unterschätzt: Wer zweimal oder öfter krank bei der Arbeit erscheint, hat eine dreifach so hohe kritische Beanspruchungsbilanz gegenüber jenen, die nicht krank zur Arbeit gehen.

Bewusstsein schaffen – ein zentraler Lösungsweg
ArbeitnehmerInnen, besonders aber die Unternehmen, sollten unbedingt ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass es weitreichende Folgen hat, Krankheiten zu vernachlässigen. Durch die fehlende Regeneration wird die Krankheit nur verschleppt. Wer krank arbeiten geht, ist weniger leistungsfähig, die Fehlerhäufigkeit steigt und in der Folge sinkt mitunter die Produktivität deutlich.

Präsentismus ist kein Zeichen erfolgreicher Unternehmensführung. Menschen sollten ohne Sorge krank sein dürfen und sich auch trauen, dies ihrem/ihrer ArbeitgeberIn mitzuteilen.

Was Unternehmen tun können
Empfehlenswert ist es, im Zuge von betrieblichen Gesundheitsförderungsprojekten das Thema Präsentismus anzusprechen und die Belegschaft ausreichend zu sensibilisieren. Das Ziel der gesetzlich verpflichtenden Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastungen liegt darin, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen MitarbeiterInnen gut arbeiten können. Hiermit kann langfristig das Vertrauen geweckt werden, dass ein Fernbleiben bei Krankheit auch mit gutem Gewissen möglich ist.