Eine von der Tiroler Arbeiterkammer (AK) in Auftrag gegebene Studie zu den Arbeitsbedingungen und -belastungen im Gesundheits- und Sozialbereich für AK-Chef Erwin Zangerl einen „alarmierenden“ Befund ergeben. Der Personalmangel wird von rund 60 Prozent der Beschäftigten als sehr belastend empfunden.
Die hohe Zahl an Beschäftigten, die an der Befragung teilgenommen hat, ist für Zangerl ein Zeichen, dass die „Frustration zunimmt“, wie er am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Innsbruck sagte: „Viele haben das Gefühl, man hat sie vergessen“. „Erschreckend“ sei, dass 58 Prozent gelegentlich an einen Berufsausstieg denken. Das „zweite Alarmsignal“ sei, dass rund 30 Prozent im Bedarfsfall „nicht im eigenen Betrieb versorgt werden“ wollen.
Körperliche Belastungen seit 2014 verdoppelt
„Die psychischen und physischen Belastungen sind generell sehr hoch“, zog Daniela Russinger vom AK-Referat für Gesundheit und Pflege einen Vergleich zu einer Studie aus dem Jahr 2014. „Die körperlichen Belastungen haben sich verdoppelt“ und bei den psychischen Belastungen habe sich „nichts verbessert“, verdeutlichte sie. Zudem blicken 70 Prozent der Betroffenen „mit Pessimismus“ in die Zukunft. Dies würde eine „negative Spirale“ auslösen und einen „Jobwechsel wahrscheinlicher“ machen, gab Robert Senn, Betriebsratsvorsitzender der Innsbrucker Soziale Dienste (ISD), zu bedenken.
Einspringen steht auf der Tagesordnung
Die durch den Personalmangel entstandene „Dienstplanunsicherheit“ mache einen Gesundheits- und Sozialberuf insbesondere für junge Menschen wenig attraktiv, erklärte Senn. Aus der Studie ging indes hervor, dass 91 Prozent nicht mehr Stunden arbeiten wollen, „weil sie ohnehin mehr arbeiten“, beschrieb Klinik-Betriebsratschefin Seidl die Situation, wonach häufiges Einspringen auf der Tagesordnung stehe. Zudem gingen 67 Prozent im vergangenen Jahr krank arbeiten – meist aus Verantwortungsgefühl der Kollegenschaft sowie den Patientinnen und Patienten gegenüber.
Angekündigte Maßnahmen müssen umgesetzt werden
„Ohne Ressourcen wird man das Problem nicht lösen“, resümierte Zangerl. Gesundheitsbezogene Steuern – wie etwa die Tabaksteuer oder eine etwaige Zuckersteuer – sollten zweckgebunden an das Gesundheitssystem gehen, forderte er und verwies auch auf Verhandlungen mit dem Land Tirol. Bereits im Jahr 2021 habe man Handlungsempfehlungen formuliert. Zangerl hatte damals aber laut eigenen Angaben den Eindruck: „Wir haben das vorne bei der Tür hineingetragen, und hinten ist es an die Abteilung Altpapier wahrscheinlich weitergeleitet worden.“
Die Landesregierung aus ÖVP und SPÖ sei hier „leider nicht am Ball geblieben“. Von der Landesregierung angekündigte Maßnahmen wie die Evaluierung der Gehaltsschemata sowie eine Ausbildungsoffensive müssten „in die praktische Umsetzung kommen“, sah der AK-Chef einen „Gap“ zwischen „Theorie und Praxis“.
Land sieht erste Erfolge
Gesundheitslandesrätin Cornelia Hagele (ÖVP) sah dagegen bei der Ausbildungsoffensive „erste Erfolge“. „Mit aktuell über 2.000 Auszubildenden absolvieren derzeit so viele Personen wie noch nie eine Pflegeausbildung in Tirol“, hieß es auf APA-Anfrage. Mittlerweile seien zudem 36 Verträge für eine Pflegelehre abgeschlossen worden. „Die Verhandlungen des Gehaltsschemas zählen ebenfalls zu einer wichtigen Maßnahmen – die Gespräche laufen und an der Finalisierung wird unter Hochdruck gearbeitet“, betonte die Gesundheitslandesrätin.
Tirol kliniken – Betriebsratschefin Seidl lobte die Personaloffensive zwar, die es in diesem Ausmaß zuvor „noch nie gegeben“ habe – dennoch sei es zu wenig. Zudem gelte es sicherzustellen, dass die Beschäftigten auch „im Beruf“ bleiben. „Verschlafen haben es die Generationen vorher“, meinte auch Senn. Dass die Babyboomer nun in Pension gehen, sei schließlich keine Überraschung.
Gehaltserhöhung statt Bonuszahlung
Bei den anstehenden Kollektivvertragsverhandlungen müsse für Zangerl sichergestellt werden, dass man nicht mit Bonuszahlungen abgespeist werde. „Eine ordentliche Lohnerhöhung wäre gescheiter“, hielt der Arbeiterkammerpräsident fest. Der Pflegezuschuss bzw. Pflegebonus habe aufgrund der unterschiedlichen Anspruchsberechtigungen zu keiner guten Stimmung geführt. Dies sei auch in der Studie bestätigt worden.
Insgesamt zeigte sich der AK-Chef aber „optimistisch, dass sich was zum Besseren wendet“. Auch Senn fand, dass mittlerweile intensiv auf die Problematik „hingeschaut“ werde.