Je mehr sich Menschen durch die Lockdowns eingeschränkt gefühlt haben, desto weniger konnten sie laut einer neuen Studie in ihrer Freizeit entspannen. Allerdings: Wer sich stark eingeschränkt fühlte, hielt sich auch seltener an die Schutzmaßnahmen.
Das ergab die Zwischenauswertung einer laufenden Studie des Zentrums für Public Health der MedUni Wien in Kooperation mit der FH Burgenland und der Universität Tampere in Finnland zu den Lockdowns in Österreich.
Die Covid-19-Pandemie habe zu weniger Wohlbefinden und mehr Stress, Angst und Depression in der Bevölkerung geführt, teilte die MedUni Wien am Donnerstag in einer Aussendung mit. Frei verfügbare, verpflichtungslose Zeit gehöre zu den wichtigsten Quellen der Erholung. Einer der Faktoren ist das „Abschalten“, also die gelungene mentale Distanzierung von der Arbeit. Weitere sind das Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Zugehörigkeit, die in Freizeitaktivitäten ausgelebt werden.
Die Lockdowns betrafen in erster Linie die Einschränkung der Freizeitaktivitäten, was eine geringere Qualität der Erholung zur Folge hatte, so erste Details der Studie. Wenn Müdigkeit und Stress nicht genügend abgebaut werden, sind Erschöpfung, weiterer Stress und eingeschränkte Selbstkontrolle die Konsequenz, erläuterten die Forscherinnen und Forscher.
Die Zwischenauswertung beruht auf einer Onlineerhebung während des dritten Lockdowns zwischen 19. Jänner und 7. Februar. Von den 1.216 Befragten erlebten 21 Prozent den Lockdown als gar nicht oder eher nicht einschränkend, 40 Prozent als eher einschränkend und 39 Prozent als sehr einschränkend. Jüngere und Studierende empfanden den Lockdown eher als einschränkend, ebenso Personen, die sich vermehrt Sorgen über ökonomische und soziale Auswirkungen der Covid-19-Pandemie machten.
Eingeschränkte Selbstbestimmung
Wer den Lockdown als einschränkend erlebte, war viermal so häufig erschöpft und dreimal so häufig gestresst und hielt sich seltener an Schutzmaßnahmen. Die größere Häufung von Erschöpfung und Stress ist laut den Forscherinnen und Forschern darauf zurückführen, dass die Freizeit als weniger erholsam erlebt wurde.
Den größten Einfluss hatten dabei die eingeschränkte freizeitbezogene Selbstbestimmung und in einem geringeren Maß auch ein reduziertes Vermögen des „Abschaltens“ sowie ein geringeres Gefühl sozialer Verbundenheit. Gesundheitliche Sorgen führten eher zur Befolgung der Schutzmaßnahmen, wirtschaftliche Sorgen dagegen zu einer verminderten Bereitschaft zur Regelbefolgung.
Weniger Stressabbau
„Wir konnten anhand der vorliegenden Zwischenauswertung zeigen, dass die Lockdown-bedingte Einschränkung der Freizeit unsere Möglichkeiten vermindert, Ermüdung und Stress im notwendigen Maße abzubauen“, erläuterte Gesundheitspsychologe Gerhard Blasche von der Abteilung Umwelthygiene und Umweltmedizin am Zentrum für Public Health der MedUni Wien.
„Die ‚Lessons Learned‘ aus der Studie zeigen uns, dass bei zukünftigen Lockdowns besonders achtsam mit den Einschränkungen des Freizeitverhaltens umgegangen werden sollte, um die psychischen Auswirkungen solcher Maßnahmen zu reduzieren“, so Erwin Gollner, Departmentleiter Gesundheit an der FH Burgenland. Für die Endauswertung der Studie sind weitere Befragungen geplant.