Mentale Untertützung für Pflegekräfte

Die Belastung im Gesundheitswesen steigt dramatisch an. Das Ärztepersonal und Pflegefachkräfte gelangen häufig an ihre Grenzen. Ein neues EU-Projekt unter der Leitung der Medizinischen Universität Graz soll nun die eigene mentale Gesundheit der Gesundheitsfachkräfte stärken.

Mehr als ein Viertel der Pflegekräfte zeigt laut internationalen Studien deutliche Defizite in ihrer Resilienz, also der psychischen Widerstandskraft gegenüber Stress und Belastung. Genau hier will das EU-Projekt „XR2ESILIENCE“ ansetzen. Unter der Leitung der Medizinischen Universität Graz und in Kooperation mit elf renommierten Partnerinstitutionen wird an neuen Wegen geforscht, um das Personal im Gesundheitswesen gezielt zu stärken.
Personalisierte Trainingsmodule und Trainingssituationen

Federführend geleitet wird dieses Projekt von Nina Dalkner von der Klinischen Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin der Med Uni Graz. „Im Fokus des Projekts steht die Förderung der mentalen Gesundheit von Personal im Gesundheits- und Pflegebereich. Zum Abschluss des Projekts soll ein Plan entstehen, der dabei hilft, die Resilienz, also die Fähigkeit zur Stressbewältigung, und den konstruktiven Umgang mit emotionalen Belastungen von Personal in diesen Bereichen zu verbessern“, erklärte Dalkner.

Helfen soll dabei moderne Technologie in Form von XR (Extended Reality). Mithilfe von XR-Anwendungen sollen personalisierte Trainingsmodule und -situationen entwickelt werden, die Mitarbeitende gezielt dabei unterstützen, ihre Resilienz individuell aufzubauen und zu stärken. XR ist ein Überbegriff für eine Reihe von Technologien, die in den vergangenen Jahren erheblich weiterentwickelt wurden. Zu diesen Technologien gehören laut Med Uni Graz Augmented Reality, Virtual Reality und Mixed Reality.
Virtuelle Patienten in virtuellem Behandlungszimmer

Diese Technologien kombinieren die reale Welt mit einer digitalen „Zwillingswelt“. Mit Hilfe von Geräten wie einer VR-Brille können neue Räume und Übungsszenarien geschaffen werden. Pflegekräfte können beispielsweise in einem einfachen Seminarraum eine VR-Brille aufsetzen und werden so in ein virtuelles Behandlungszimmer versetzt, in dem sie mit virtuellen Patientinnen und Patienten interagieren können. „Virtuelle Realität bietet eine einzigartige Möglichkeit, in simulationsbasierte Umgebungen einzutauchen, die eine intensivere und effektivere Lern- und Trainingsumgebung schaffen. Sie ermöglicht es, Resilienz- und Stressbewältigungsstrategien in sicherer und kontrollierter Weise zu üben“, erklärte Dalkner den Nutzen der virtuellen Realität.

Extended Reality bietet laut der Forscherin viele Vorteile. Neben der Möglichkeit, realistische und immersive Szenarien anzubieten, sei es möglich, diese vergleichsweise einfach an andere Institutionen weiterzugeben. Zudem können Anwendungen an die Bedürfnisse verschiedener Institutionen oder Nutzer angepasst werden. Pflegekräfte im Notfallbereich haben zum Beispiel andere Bedürfnisse und sind anderen Stresssituationen ausgesetzt als Pflegekräfte auf psychiatrischen Stationen. Mit virtuellen Übungsräumen können bei minimalem Platzaufwand Trainingsszenarien für eine ganze Reihe von Mitarbeitern geschaffen werden.
Mentale Gesundheit nachhaltig verbessern

„Wir benötigen Lösungen, die nicht nur von den Pflegekräften akzeptiert werden, sondern die sie auch in ihrem stressigen Arbeitsalltag tatsächlich umsetzen können. Nur wenn solche Programme praktikabel sind und von den Institutionen unterstützt werden, können wir eine nachhaltige Verbesserung der Resilienz im Gesundheitswesen erreichen“, erklärte Dalkner den Bedarf an neuen Resilienzlösungen.

Erkenntnisse aus dem Projekt können in Zukunft auch in anderen Bereichen eingesetzt werden. So könnten der Bildungsbereich oder die universitäre Lehre von ähnlichen virtuellen Trainingssimulationen profitieren. Zur wissenschaftlichen Begleitung des Projekts wird eine Kontrollstudie durchgeführt, um die Effekte des Trainings korrekt und nachvollziehbar belegen zu können. Das EU-Projekt hat eine Laufzeit von vier Jahren und wird mit 5,95 Millionen Euro gefördert, knapp 1,09 Millionen davon gehen an die Med Uni Graz.