Ein Drittel der Beschäftigten in Österreich ist entweder über- oder unterqualifiziert, das zeigt die aktuelle Auswertung des Arbeitsklima-Index. Demnach arbeiten nur sieben von zehn Beschäftigten in einem Job, der ihrer Ausbildung und ihrer höchsten abgeschlossenen Qualifikation entspricht – für Betroffene eine Belastung, hieß es von der Arbeiterkammer Oberösterreich am Dienstag bei einer Pressekonferenz.
Vor allem Überqualifizierte seien häufig „gefangen im falschen Job“ und würden deutlich häufiger die Firma oder sogar den Beruf wechseln wollen als andere Beschäftigte. „Für die Betroffenen ist diese Situation nicht zufriedenstellend. Und auch die Betriebe können kein Interesse daran haben, dass hier die Potenziale von Hunderttausenden gut ausgebildeten Menschen brachliegen“, sagte Johann Kalliauer, Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich (AK OÖ).
Häufig überqualifiziert seien Beschäftigte aus Wien, Menschen mit Migrationshintergrund, Akademikerinnen und Akademiker sowie Teilzeitkräfte. Insbesondere Personen, die in den vergangenen zwölf Monaten arbeitslos gewesen seien, müssten beim Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt häufig auf Jobs ausweichen, für die sie überqualifiziert seien. Die Verlierer seien dann Menschen mit geringem Bildungsniveau – sie würden in Hilfsarbeiterjobs oder in die Arbeitslosigkeit gedrängt.
„Überqualifiziert muss man sich leisten können“
Als überqualifiziert gelten Akademikerinnen und Akademiker, die als einfache Angestellte oder als Verkäuferinnen bzw. Verkäufer im Einzelhandel tätig sind. „Überqualifiziert muss man sich bis zum gewissen Grad leisten können“, kritisierte Daniel Schönherr, Sozialforscher der Institute for Social Research and Consulting (SORA), bei der Pressekonferenz. Es sei leichter, sich als Akademiker auch für weniger qualifizierte Jobs zu bewerben. Dadurch entstehe dann der „Verdrängungswettbewerb“.
Besonders unzufrieden sind dem Index zufolge Überqualifizierte mit den Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten. Drei Viertel der Überqualifizierten mit Lehrabschluss, die in einfachen Hilfsarbeiterjobs arbeiten, sind damit nicht zufrieden. Wenig überraschend wollen daher 28 Prozent der Beschäftigten, die überqualifiziert tätig sind, die Firma oder den Beruf wechseln.
Laut Studie sind 18 Prozent der Berufstätigen (etwa 650.000 Menschen) überqualifiziert und 14 Prozent unterqualifiziert. Viele Unterqualifizierte würden sich aber weiterbilden und durch ihre Berufspraxis entsprechendes Know-how erwerben. Immerhin seien 85 Prozent der Unterqualifizierten mit ihren Jobs zufrieden.
Auswirkungen der Digitalisierung
Auch die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Beschäftigten und ihre Arbeitsplätze wurden untersucht. 30 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sagen, dass sich ihr Arbeitsplatz in den vergangenen fünf Jahren durch den technischen Fortschritt und die Digitalisierung verändert hat. Ein Drittel ist der Meinung, dass die Zahl der Arbeitsplätze zurückgegangen ist. Vier von zehn befürchten, dass in Zukunft noch mehr Jobs verloren gehen. Nur knapp die Hälfte der befragten Beschäftigten rechnet mit Erleichterungen durch die Digitalisierung.
Als negative Auswirkungen werden von 40 Prozent die zunehmende Überwachung und Kontrolle am Arbeitsplatz genannt. Ältere Menschen fühlen sich zudem oft technisch überfordert. Mehr als die Hälfte geht davon aus, dass es in Zukunft nötig sein wird, ständig Neues zu lernen, um den Beruf weiter ausüben zu können. Deutlich mehr als die Hälfte der Befragten glaubt, dass es schwieriger wird, eine Grenze zwischen Arbeit und Privatleben zu ziehen.
Besonders viele Änderungen wegen der Digitalisierung konnten Beschäftigte im Banken- und Versicherungswesen, in der öffentlichen Verwaltung, im Unterrichtswesen, Verkehr und Transport sowie in Industrie und Gewerbe beobachten. Weniger Veränderungen gebe es im Handel, Bauwesen und Tourismus.
AK: Diensthandy und Firmenlaptop gefährden Freizeit
Bemerkbar mache sich das etwa über ein Diensthandy oder einen Firmenlaptop, so die AK OÖ in einer Aussendung. Das suggeriere häufig, jederzeit für den Arbeitgeber erreichbar sein zu müssen. Viele Menschen würden somit auch in der Freizeit, im Urlaub oder im Krankenstand weiterarbeiten. Das zeigt sich auch im Arbeitsklima-Index: 60 Prozent leiden unter Zeitdruck, 45 Prozent unter ständigem Arbeitsdruck ohne Zeit für Erholung.
Ein Viertel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erledigt Arbeitsaufgaben regelmäßig in der Freizeit, 16 Prozent arbeiten im Urlaub, jede vierte Person sogar im Krankenstand. Insgesamt seien dadurch eine Million Beschäftigte in Österreich betroffen, denen es „durch Digitalisierung nicht gut geht“, sagte Reinhard Raml, Sozialforscher beim Institut für empirische Sozialforschung (IFES).
Besonders Berufsfahrer würden sehr unter den Änderungen durch die Digitalisierung leiden. Für rund 100.000 Berufsfahrer sei die Situation angespannt. Viele Fahrer müssen in ihrer Ruhezeit Berufshandys oder Laptops benutzen. Auch die Kontrolle und Überwachung durch GPS sei belastend. Diese Faktoren würden zu einem permanenten Stress und hoher Belastung führen.
AK plant „Zukunftsfonds“
Um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu unterstützen, hat die Arbeiterkammer einen „Zukunftsfonds“ auf die Beine gestellt. „Durch den Zukunftsfonds sollten Projekte gefördert werden, bei denen nächste Digitalisierungsschritte in Unternehmen gemacht werden und wo konkret die Arbeitnehmer im Fokus sind“, sagte Kalliauer. Für die kommenden fünf Jahre seien 150 Millionen Euro für solche Projekte geplant.
Der Österreichische Arbeitsklima-Index in Auftrag der AK beschreibt vierteljährlich die wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen aus Sicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Datenerhebung erfolgt durch die Meinungsforschungsinstitute SORA und IFES.